
Da der kränkliche
Graf Dracula in seiner Heimat Transsylvanien zu bekannt ist und
überdies durch den Verfall von Sitte und Moral kaum noch Jungfrauen
aufzutreiben sind, kehrt er auf Anraten seines Dieners Anton der
Heimat den Rücken und zieht nach Italien. Dort soll es noch genügend
jungfräuliche Damen geben, zumal man spricht, dass die Familien
dort auf Ehre und Anstand größten Wert legen. Kaum sind die beiden
angekommen, will es das Schicksal, dass sie mit der vornehmen Familie
Di Fiore in Kontakt geraten. Und weil diese Familie über nicht weniger
als vier Töchter verfügt und sich überdies von dem blaublütigen
Osteuropäer beeindruckt zeigt, ist eine Einladung in die etwas heruntergekommene
Villa der feinen Italiener fast nur noch Formsache. Dazu kommt,
das die Marchesa Di Fiore auf eine möglichst baldige Vermählung
einer ihrer Töchter mit dem Grafen spekuliert, damit etwas von dem
Glanz (und Geld) des rumänischen Adelsgeschlechts auch auf ihre
Familie herniederfalle, die sich so verarmt präsentiert, dass sie
sich außer ihrem Allround-Knecht Mario Balato keine Bediensteten
mehr leisten kann. Für den Grafen auserkoren hat die Marchese die
drittjüngste Tochter Saphira. Und schon kurze Zeit später, als der
formelle Prozess des steifen Kennenlernens vorbei ist, fällt der
Graf über sie her - aber natürlich erst, nachdem er sich ihre Jungfräulichkeit
hat versichern lassen. Allerdings hat Saphira, ebenso wie ihre Schwester
Rubinia, bereits ausreichend Erfahrungen mit dem immerkönnenden
Knecht gesammelt. Von Jungfräulichkeit daher weit und breit keine
Spur. Dies wird dem Grafen auch schnell klar, nachdem er viel zu
hastig vom Blut des Mädchens getrunken hat und ihn ein jäher, beinahe
tödlicher Brechreiz überkommt. Obwohl sich Saphira nach dieser Begegnung
merkwürdig verhält, steht bei den Di Fiores die Familienschande
im Vordergrund. Über diese wird die Marchese gleich am nächsten
Morgen durch Anton informiert. Wieder ins rechte Licht will die
Marchese ihre Familie mit ihrer Tochter Rubinia rücken, die der
Graf als nächstes angeboten bekommt. Und weil ihn frisches Blut
lockt, willigt er in diese Beziehung gern und schnell ein. Aber
auch Rubina ist nichts weniger als rein und dementsprechend hart
fallen die Konsequenzen für den Vampir aus. Nach dieser alles andere
als zufriedenstellenden Begegnung ist der Graf derart geschwächt,
dass er sich nur noch in sein heimatliches Schloss zurücksehnt.
Doch Anton hat bereits herausgefunden, dass Perla, die jüngste Tochter
der Familie, von reinem Wesen sein muss und daher vortrefflich für
die Zwecke des Grafen geeignet ist. Allerdings hat die Marchesa
gegen diese Verbindung ob des zarten Alters des Mädchens etwas einzuwenden.
Lediglich dem skeptischen Knecht Mario schwant mittlerweile schon
Böses und er kommt zu dem Schluss, dass mit Dracula etwas nicht
stimmen muss, zumal sich seine beiden Bettgenossinnen seit ihrer
Begegnung mit dem Adeligen ziemlich desinteressiert und apathisch
zeigen. Der Graf hat indes die als seltsam und etwas irre abgestempelte,
älteste Tochter Esmeralda für sich entdeckt, die über den Verlust
ihres Verlobten nie hinweg gekommen ist. Außerdem präsentiert sie
sich in der Tat als einziges, wirklich unbeflecktes Wesen der Familie.
Nachdem der Graf sie gebissen hat, erscheint allerdings Mario auf
der Bildfläche und es kommt zu einer tödlichen Auseinandersetzung...

Obwohl ANDY WARHOL'S
DRACULA durchaus Bram Stokers Schauerroman huldigt, betritt der
Film zuweilen - wenn auch öfters mal unbeabsichtigt - filmisches
Neuland und transportiert die eigentliche Geschichte sehr gekonnt
in die 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Der Adel zeigt sich
bereits von seiner zerrütteten Seite und Joe Dallesandro in der
Rolle des kommunistisch angehauchten Knechts Mario vermittelt sehr
gut, wohin sich die Gesellschaft politisch wie gesellschaftlich
bewegt. Überall lauert bereits der Ver- und Zerfall. Diese etwas
deprimierende Wirkung wird durch die simplen, aber immer auch sehr
eindrucksvollen Sets unterstützt, die für nur wenig Geld und mit
einfachsten Mitteln hergerichtet wurden. Die sehr melancholische
(aber überaus hörenswerte!) Musik von Claudio Gizzi trägt ihr Übriges
zu der gedämpften Stimmung des Films bei. Der Drehstart von DRACULA
war noch am selben Nachmittag, an dem das Team die Arbeit an FRANKENSTEIN
beendete. Wegen der vielen Außenaufnahmen und des schlechten, in
erster Linie für Innendrehs geeigneten 3D-Kameraobjetivs wurde DRACULA
in herkömmlicher Weise und in lediglich knapp drei Wochen mit einem
nahezu lächerlichen Budget von rund $300.000 auf Zelluloid gebannt.
Hauptdarsteller Udo Kier, der erst in letzter Minute auch für diesen
Film verpflichtet wurde, musste für die Rolle des kränkelnden Grafen
10 Kilo abnehmen, weshalb er nichts mehr zu sich nahm und nicht
ohne Grund völlig geschwächt einige Szenen im Rollstuhl spielt.
Ebenso wie bei ANDY WARHOL'S FRANKENSTEIN wird in den Credits der
italienischen Fassung Anthony M. Dawson (Antonio Margheriti) als
Co-Regisseur aufgeführt, der bei diesem Film für stimmungsvolle
Aufnahmen gesorgt haben soll. Wenn dies vielleicht auch nicht vollends
der Wahrheit entspricht, so ist doch festzuhalten, dass sich die
beiden in Italien entstandenen Warhol-Werke FRANKENSTEIN und DRACULA
fast gänzlich von Morrisseys US-Produktionen unterscheiden. Margheriti
beansprucht für sich selbst keinerlei Credit als Regisseur, wohl
aber als Production Supervisor. Ein nicht zu verachtender Anteil
an den Vorbereitungsarbeiten beider Filme ist auch Roman Polanski
zuzuschreiben, der in DRACULA in einem Gastauftritt in der Tavernenszene
zu sehen ist und Arno Jürgens mit schnippischen Spielchen das letzte
Geld aus der Tasche zieht. Im Gegensatz zum sehr blutrünstig geratenen
FRANKENSTEIN ist der Umgang mit den Spezialeffekten bei DRACULA
auf ein Mindestmaß reduziert, was dem Film sehr zugute kommt. Allein
die sehr morbide und fast schon unerträglich gewaltsame Hinrichtung
des Grafen fällt sehr blutig aus, entbehrt allerdings auch nicht
einer gewissen Komik. Ebenso wie FRANKENSTEIN zeigt sich der Film
sehr freizügig, was den Streifen zum einen sehr modern erscheinen
lässt, zum anderen auch wunderbar in das Kino der 70er Jahre passt,
das - dem Inhalt des Werks nicht unähnlich - die Fesseln verschrobener
Moralvorstellungen mit großen und manchmal groben Bildern abzustreifen
vermochte. Neben George A. Romeros MARTIN, mit dem eine ganz neue
Variante des Vampirismus geschaffen wurde, stellt DRACULA einen
der wichtigsten Genrebeiträge besagter Dekade dar und schafft es
selbst heute noch mühelos, den Zuschauer - nicht zuletzt durch die
hervoragenden Leistungen der Darsteller - in seinen Bann zu schlagen.
Text
und Titelgrafik: molotto
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