
Der angehende
Anwalt Jonathan Harker ist nach Transsylvanien unterwegs, wo er
sich wegen einer Grundstücksangelegenheit mit dem Grafen Dracula
treffen will. Andere Reisende und auch die Wirtsgattin eines in
der Nähe des Schlosses des Grafen gelegenen Rasthauses warnen
Jonathan vor Dracula, etwas ungeheuer Böses laste auf diesem
Namen. Auf Schloss Dracula wird der Anwalt von seinem Gastgeber
allerdings gut aufgenommen und untergebracht. Doch dann häufen
sich die merkwürdigen Ereignisse: In der Nacht dringt durch
das Fenster in Jonathans Zimmer eine große Fledermaus herein,
der er sich nur knapp erwehren kann und dann hämmert eine einsame
Frau ans Tor des Schlosses und verlangt die Herausgabe ihres angeblich
geraubten Kindes. In tiefen Schlaf versunken wird er außerdem
von Vampirfrauen besucht, die allerdings von Dracula weggeschickt
werden, der den Engländer ganz für sich will. Die Frauen
dürfen ihre Gier an einem kleinen Kind stillen. Wieder bei
Sinnen entdeckt Jonathan, dass er in dem Gemäuer gefangen ist.
Bei seiner Suche nach einem Ausgang entdeckt er eine alte Gruft,
in der der Sarg von Dracula steht, und darin den Grafen. Überwältigt
von diesem Anblick stürzt er sich wild davonlaufend aus einem
hohen Fenster. Er erwacht in der Klinik von Dr. Van Helsing in Budapest
(dt. Fassung, in der internationalen Fassung liegt die Klinik in
London) im Beisein des Arztes Dr. Seward. Da Jonathan in den Augen
des Doktors nur wirr phantasiert, soll er bis zur vollständigen
Genesung in der Klinik verbleiben, allerdings hat Van Helsing bereits
nach Jonathans Verlobter Mina schicken lassen, die zusammen mit
ihrer Freundin Lucy auch schleunigst anreist. Doch niemand weiß,
dass sich just gegenüber der Klinik in einem alten Gemäuer
der Graf Dracula eingenistet hat, den angesichts der beiden jungfräulichen
Damen unbändige Gier packt. Schon in der ersten Nacht setzt
er Lucy unter seinen Bann und lässt sie gar zu sich ins Gemäuer
schlafwandeln. Allerdings kann Mina ihr folgen und findet sie wenig
später zusammengebrochen in dem halb verfallenen Haus. Wie
Van Helsing feststellen kann, hat Lucy Bisswunden am Hals. Er befürchtet
das Schlimmste und lässt Lucys Verlobten, Quincey Morris, anreisen,
der Lucy Blut spenden soll. Doch auch das rettet die unter Draculas
Bann Stehende nicht mehr, jede Nacht besucht sie nun der Vampir
und tötet sie Schritt für Schritt. Bei seinem letzten
Besuch wird Dracula allerdings von Mina überrascht und flieht,
trotzdem gibt es für Lucy keine Rettung mehr und sie stirbt.
Als wenig später Van Helsing, mit den Forschungen auf dem Gebiet
der schwarzen Magie bestens vertraut, von einem rätselhaften
Mord an einem Kind auf dem Friedhof, auf dem Lucy beerdigt liegt,
in der Zeitung liest, unterrichtet er den inzwischen vollkommen
genesenen Jonathan und Quincey Morris, was zu tun sei. Sie unternehmen
einen nächtlichen Ausflug in die Gruft, in der Lucys Sarg steht,
und finden diesen leer vor. Kurz nach Sonnenaufgang kehren sie zurück
und müssen entdecken, dass Lucy nun mit blutverschmierten Mund
in ihrer Kiste liegt - die Annahme Van Helsings erweist sich als
richtig. Kurzerhand pfählt Van Helsing den Vampir und lässt
ihn von Quincey zudem köpfen. Außerdem äußert
er den Verdacht, dass sich Dracula in unmittelbarer Umgebung befinden
muss, wobei ihnen sofort das alte Nachbarhaus einfällt. Sie
dringen dort ein, finden mit Erde gefüllte Kisten und weihen,
wie von Van Helsing gewünscht, das ganze Haus, um eine Rückkehr
des Vampirs zu dieser Ruhestätte zu verhindern. In einem letzten
aufbäumenden Akt versucht Dracula nun, sich Minas zu bemächtigen.
Bei einer Operngala fällt er sie in der Loge an, kann allerdings
von Jonathan und Quincey, die von der Sache im letzten Augenblick
Wind bekommen haben, verscheucht werden. Doch in der darauffolgenden
Nacht versucht Dracula noch einmal, sich an Minas Blut zu laben,
wird aber von dem im Zimmer wachenden Van Helsing erneut verscheucht.
Daraufhin flieht Dracula mit Hilfe von einigen Zigeunern zurück
in seine Heimat Varna. Morris und Harker jagen ihm hinterher und
gelangen vor ihm im Schloss an. Nachdem sie alle in dem Gemäuer
schlummernden Bräute Draculas gepfählt haben, verjagen
sie die inzwischen mit Draculas Kisten anreisenden Zigeuner und
stecken den Sarg des Vampirs in Brand. Dracula stirbt in den Flammen
jämmerlich und wird zum krönenden Abschluss von den beiden
Helden mitsamt seiner lichterloh brennenden Kiste über die
Burgmauer geworfen.

Man muss es schon
unumwunden zugeben: Jesus Franco Manera ist ganz bestimmt nicht
der beste Mann für die Verfilmung eines der größten
Klassiker der Schauerliteratur - und dementsprechend sieht der Film
auch aus. NACHTS, WENN DRACULA ERWACHT trägt ganz klar die
Handschrift seines Regisseurs, der sich, anstatt eine eigene, zumindest
halbwegs packende Version von Bram Stokers Roman erzählen zu
wollen, in den Nebensächlichkeiten seiner vornehmlich mit der
Handkamera eingefangenen Bilder und der ungenutzten Präsenz
der zugegebenermaßen sehr hübschen Riege an echten Weltstars
vertüddelt. Und so verkommt der für den Roman ungemein
wichtige Charakter des irren Renfield bei Franco zu einer fast vollkommen
unbedeutenden Figur, der wahrscheinlich nur deshalb ein etwas größerer
Platz in dem Film eingeräumt wurde, weil sie von Klaus Kinski
wirklich grandios dargestellt wird. Was hätte jeder andere
Regisseur auf der Welt allein aus dieser Konstellation für
einen Nutzen gezogen! Franco hingegen lässt solcherlei Potential
sehenden Auges verpuffen, womit er aber zumindest seinem für
dieses Schauerstück eingeschlagenen Weg treu bleibt, denn auch
mit dem Parade-Dracula ChristopherLee sowie Herbert Lom als Van
Helsing weiß er im Grunde nicht viel anzufangen. Beide Figuren
stapfen - Dramatik hin, Spannung her - fast immer gleichmütig
durch die Szenen und sagen ihre Dialoge auf. Mehr ist da leider
nicht zu holen. Zu NACHTS, WENN DRACULA ERWACHT wurde insbesondere
von dem findigen Briten Harry Allen Towers, der den Film in Bram
Stokers Heimatland in die Kinos brachte, das bis heute gern rezitierte
Märchen in die Welt gesetzt, dass Francos Film die mit weitem
Abstand werkgetreueste Verfilmung des Dracula-Stoffes darstellt.
Ein Horn, in das selbst der sonst zuweilen erschreckend konservative
Katholische Filmdienst kräftig bläst. Doch das kann man
so kaum stehen lassen, zu groß sind die Unterschiede zwischen
Roman und Film in diesem Fall. Denn allein wenn Franco zu Beginn
einen neuen Charakter hinzuerfindet (den bahnreisenden Geschäftsmann),
aus Draculas muffigem, mit allerlei Zeugs vollgestelltem und stets
überheiztem Schloss eine total leergeräumte und bitterkalte
Ruine macht und aus dem Grafen selbst statt eines mit dämonischer
Energie und brillanter Intelligenz ausgestatteten Untoten einen
eher ermatteten und von kaum spürbarer Zielstrebigkeit beseelten
Piefke werden lässt, wird Stokers Vorlage kaum getroffen. Und
diese Aufzählung ließe sich noch beliebig fortsetzen,
aber allein die Tatsache, dass die deutsche Kinofassung ganz
im Gegensatz zu den anderen Sprachversionen des Films die
Haupthandlung von London nach Budapest verlegt, spricht ja bereits
Bände. Bram Stokers Roman wimmelt zudem vor spannungsgeladenen
Höhepunkten, von denen Franco traurig aber wahr - nicht
einen einzigen umgesetzt hat. Und dass sich Christopher Lee, der
sich zumindest optisch den Bedingungen von Stokers Buch weitestgehend
unterworfen hat, zudem ausbedungen habe, in diesem Film nur mitzuwirken,
wenn man sich eng an die Vorlage halten würde, mag man nach
seiner ernüchternden Darstellung auch nicht mehr so recht glauben.
Die jedoch desaströsten Mängel des Films offenbaren sich
- wie bei Franco nicht unüblich - bei Formalia wie den Nachtaufnahmen.
Francos Nachtaufnahmen sind wie immer bei Tageslicht
entstanden und nur deshalb als solche auszumachen, weil er wie so
oft in seinen Werken die nächtliche Geräuschkulisse eines
ganzen Urwalds auf der Tonspur erschallen lässt, wobei es immer
wieder aufs Neue erstaunt, wie lärmerfüllt bei Franco
die Nächte sind. Doch während dieser Umstand bei seinen
anderen Filmen noch unter der künstlerischen Freiheit abbuchbar
wäre, setzt Franco hier ernstlich die Stimmung aufs Spiel.
Zur Ehrenrettung muss man aber anmerken, dass bei NACHTS, WENN DRACULA
ERWACHT wiederum viele kleinere Details stimmen, denen in bisherigen
Filmfassungen des Stoffes kaum oder gar keine Beachtung geschenkt
wurde, so beispielsweise die von den Vampiren immer wieder verübten
Morde an Kindern. Wie bei einem Film von Jess Franco fast zum guten
Ton gehörend, gibt es von NACHTS, WENN DRACULA ERWACHT mehrere,
sich zuweilen massiv unterscheidende Fassungen. Vergleicht man einmal
die deutsche Videofassung mit der britischen Kinofassung, so ergeben
sich neben einem gehörigen Laufzeitunterschied zugunsten der
deutschen Fassung zahlreiche Detailänderungen. Während
in der britischen Fassung zum Beispiel die komplette Szene im Gasthaus
in Varna fehlt, ist aus der deutschen Version - aus welchen Gründen
auch immer - Jonathans Ankunft und Begrüßung in Draculas
Schloss genommen worden. Die britische Fassungen wurde auch um ein
paar spärliche Blutspritzereien erleichtert, sowie um die Frau,
die am Schloss die Herausgabe des offensichtlich von Dracula geraubten
Kindes verlangt. Sämtliche Szenen, die von der dämonischen
Präsenz des Grafen zeugen sollen, sind bei Towers Version zudem
mit vielen über das Filmbild kopierten, mal mehr, mal weniger
stark durchscheinenden Schwarzweiß-Aufnahmen von Fledermäusen
verziert. Außerdem hat sich Towers der Unsitte
der damaligen Zeit hingegeben und streckenweise Bruno Nicolais durchweg
sehr hörenswerte Musik aus dem Film genommen und durch irgendein
nichtssagendes Gedudel ersetzt. Insgesamt ist NACHTS, WENN DRACULA
ERWACHT trotz seiner oftmals himmelschreienden Unzulänglichkeiten
ein durchaus interessanter Beitrag zur Dracula-Welle - zumindest
für Komplettisten und all diejenigen, die sich näher mit
den verschiedenen Verfilmungen von Stokers Roman auseinandersetzen
wollen. Für Otto Normalverbraucher funktioniert NACHTS, WENN
DRACULA ERWACHT wohl dann am besten, wenn man sich von vornherein
mit dem Gedanken anfreundet, statt einer Romanverfilmung einen reinrassigen
Franco ohne wenn und aber vorgesetzt zu bekommen. Ein generelles
Gefallen an Herrn Francos Präsentationsart mitzubringen darf
als Verpflichtung verstanden werden.
Text
und Titelgrafik: molotto
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