
Ise und ihr Antoine
haben geheiratet und wollen ein paar Tage auf dem Schloss von Ises
Verwandten verbringen. Doch als sie am Schloss eintreffen, erhalten
sie von den beiden ungemein hübschen wie freizügigen Dienerinnen
Nachricht, dass beide Onkel Ises einen Tag zuvor ums Leben gekommen
sind. Nachdem Ise die Gruft besucht hat, verbringt sie die Hochzeitsnacht
allein. Um punkt 12 Uhr nachts entsteigt der Wanduhr in ihrem Zimmer
eine merkwürdige Frau, Isolde, die Ise augenblicklich psychisch
wie auch sexuell in ihren Bann ziehen kann und die ihr im weiteren
Verlauf unglaubliche Geheimnisse anvertrauen will, wozu sie Ise
auf den nahegelegenen Friedhof schleppt. In der Gruft wird ihr dort
von Isolde und den beiden mittlerweile auferstandenen Onkeln Blut
ausgesaugt. Doch Antoine, der nicht schlafen konnte und die beiden
Dienerinnen in die Gruft verfolgt hat, beobachtet die gruselige
Szene, ohne allerdings seine Frau gesehen zu haben. Am nächsten
Tag eröffnet er Ise seine Entdeckungen, die jedoch keine Erinnerungen
an die vergangene Nacht mehr hat und meint, tief und fest geschlafen
und demnach nichts von dem Treffen gemerkt zu haben. Antoine zieht
sich mit seinen unbedachten Äußerungen den Fluch der
Vampire zu, die sich in ihrem Vorhaben, Ise in ihre Gewalt zu bringen,
gestört sehen und ihn nun mit allen Mitteln aus dem Schloss
vertreiben wollen. Während er sich in der Bibliothek des Schlosses
aufhält, stürzen wie von Geisterhand regalweise Bücher
auf ihn herab und beerdigen ihn. Nur knapp kann er dem Anschlag
entkommen. Beim Abendessen erscheinen dann völlig überraschend
die beiden totgeglaubten Onkel Ises, die die Nachricht über
ihr Ableben kurzerhand als Scherz und Bauerngeschwätz abtun.
Im weiteren Verlauf setzen sie alles daran, Ise auf dem Schloss
zu halten, was ihnen auch gelingt. Alle Bemühungen Antoines,
seine Frau zur Abreise zu bewegen, verlaufen im Sande. Dafür
offenbaren sich die Hintergründe der schrecklichen Geschichte
um das alte Gemäuer und den Familienclan für Antoine und
Ise. So erfahren sie, dass die beiden Onkel Zeit ihres Lebens die
Geschichte ihrer Familie unter Aspekten der Religion untersucht
haben und dabei auf vergessen geglaubtes Geheimwissen um verdeckt
lebende Vampirkulte gestoßen sind. Mit Isolde als untoter,
von den Onkeln herbeigerufener Führerin ist es nun ihre Idee,
vom Schloss aus eine neue Vampirherrschaft zu installieren und das
Land zu unterjochen. Dabei hatten die Onkel ursprünglich ihr
Leben bei dem Versuch gegeben, die irrtümlich und aus scheinbarem
Übermut versehentlich herbeigerufene Vampirdame wieder zu vertreiben.
Einzig Antoine durchschaut klar das dämonische Spiel und setzt
alles daran, dem grausamen Treiben ein Ende zu setzen.

Jean Rollins dritter
Vampirfilm ist neben dem ebenfalls bereits wunderschön geratenen
DIE NACKTEN VAMPIRE ganz sicher einer der besten Filme seiner ganzen
Karriere. Er besticht vor allem mit einer eindrucksvollen Kameraarbeit,
die mancherlei Aufnahme bietet, die man sich am liebsten einrahmen
und an die Wand hängen möchte. Überhaupt bietet der
Film ungemein viel fürs Auge: Wunderschöne Sets, atemberaubende
Farbenspiele, die allemal mit den eindrucksvollen Bildern eines
Dario Argento mithalten können, und, wenn man die Figur der
Isolde einmal abzieht, eine hübsche Ansammlung appetitlicher
Vampirweiber. Wie es sich für einen Film aus der Rollin-Fabrikation
gehört, sind diese immer mit fast nichts bekleidet und allzeit
bereit, sich und anderen körperlich etwas Gutes zu tun. Die
Komponente der Verführung ist ein ganz zentrales Anliegen in
LE FRISSON DES VAMPIRES, weshalb ihr auch immer wieder sehr viel
Spielzeit eingeräumt wird. Das Schöne an LE FRISSON DES
VAMPIRES ist aber, dass Rollin diese Szenen keinesfalls nur dazu
benutzt, seine in dieser Hinsicht empfänglichen Zuschauer zu
befriedigen, vielmehr sind sie nahtlos in den Film eingepasst und
wirken weder deplatziert noch aufgesetzt. Bei einem Jess Franco
hätte dies wahrlich anders ausgesehen. Wenn Jean Rollins Film
auch deutliche Parallelen zu Don Sharps DER KUSS DES VAMPIRS aufweist,
besticht er damit, dass er die in Sharps (ziemlich konventionell
gehaltenem) Film nur unterschwellig vorhandenen Elemente der mit
dem Vampirthema eng verknüpften sexuellen Ausschweifungen mit
größter Selbstverständlichkeit auf der Leinwand
präsentiert und sich dabei auch noch für weitere Einflüsse
der Schauerromantik offen zeigt. Wenn nach Hoffmannscher Art
Isolde um Mitternacht aus der Wanduhr steigt, sie zudem wie ein
Geist nachts erscheinen kann, wo sie will, und sich in einem Akt
der Verzweiflung am Ende gar selbst kannibalisiert, dann wird das
enge Korsett des klassischen Vampirfilms nachhaltig aufgebrochen.
Insgesamt ist LE FRISSON DES VAMPIRES ein virtuoser, optisch extrem
verspielter Film, der in den barocken Zimmern des Schlosses in seinen
schönsten Momenten wie ein ausgewachsenes Märchen funktionert
und sich vom ersten Moment an mit unwahrscheinlicher Wucht über
den Zuschauer ergießt und das trotz der Tatsache, dass
sich Rollin sehr viel Zeit für seine Szenen und die Ausbreitung
seiner Geschichte nimmt. Innerhalb des Vampirfilms ist LE FRISSON
DES VAMPIRES in seiner Gesamtheit vor allem aber eines: ein seltener
und damit ungeheurer Glücksfall.
Text
und Titelgrafik: molotto
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