
Die Vampire haben
sich's in Istanbul gemütlich gemacht: Dort haust die immer lüsterne
Nadine, Draculas letzte Geliebte, in einer feudal eingerichteten
70er-Bude mit Morpho, ihrem Diener. Wenn sie sich nicht gerade auf
ihrem roten Kunstlederbettchen räkelt, zieht's die geheimnisvolle
Frau in die Nachtclubs der Stadt, wo sie aufreizende Lesbentanznummern
zur Belustigung der eher stockkonservativ anmutenden Zuschauerschar
aufführt. Noch schlimmer: Sie nutzt diese Tanzdarbietungen auch
dazu, mental mit anderen Frauen in Kontakt zu treten und sie dergestalt
zu verzaubern, dass sie ihr in gehöriger Weise verfallen. So ergeht
es auch Linda Westinghouse, Mitarbeiterin eines großen Notariats,
die zusammen mit ihrem Freund Omar zufällig eine solche Show besucht.
Wie trifft es sich doch gut, dass bereits kurze Zeit später ein
Auftrag in der Kanzlei eintrifft, mit dem Gräfin Nadine den Verbleib
ihrer Habseligkeiten im Sterbensfall zu regeln gedenkt. Und da Linda
mit diesem Fall betraut wird, reist sie unverzüglich zur Gräfin.
Kaum ist sie angekommen, wird anstatt zu arbeiten lieber an den
Strand gegangen und nackt gebadet - auch nicht schlecht! Leider
jedoch verfällt Linda der Vampirin immer und immer mehr, zumal sie
in ihre homoerotischen Fänge gerät. Schließlich flieht Linda aus
Nadines Haus und bricht ohnmächtig zusammen. Als sie wieder erwacht,
befindet sie sich in der Klinik von Dr. Seward, einer Kapazität
auf dem Gebiet der Psychiatrie und des Vampirismus, und auch Freund
Omar kommt an ihr Krankenlager geeilt. Schnell wird klar, dass sie
unter dem Bann eines Vampirs leidet. Einen solchen Fall hat Dr.
Seward bereits in der geschlossenen Abteilung mit der wirr vor sich
hinbrabbelnden Agra sitzen, die - wie sich herausstellt - als unschuldiges
Mädchen ebenfalls in den Dunstkreis der Gräfin gelangte und von
ihrem Mann, Memmet, bereits verloren geglaubt wird. Nun denn. Nadine
sehnt sich nach Linda zurück, Linda sehnt sich nach Nadine, Omar
will die Vampirin vernichten und ein kurze Zeit später in die Handlung
eingefügter, ominöser Dr. Steiner entpuppt sich als ein moderner
Van Helsing, was bei Francos Vampirfilmen wahrlich keine Überraschung
mehr darstellt. Mit Hilfe Dr. Sewards besinnt sich Linda langsam.
Sie will mit der Gräfin abrechnen. Agras Mann, Memmet, verspricht
ihr zunächst Hilfe, stellt sich dann allerdings als grauenhafter
Sadist heraus, der Linda in seiner schäbigen Bude an einen Stuhl
fesselt, zumal er erkennt, dass sie der Vampirin ausgeliefert war.
Erst als Linda ihm trickreich allerlei Sado-Maso-Sauereien verspricht,
kann sie sich aus ihren Fesseln befreien und Memmet mit einer Säge
töten. Sie flieht zu Nadines Haus, wo sie die Gräfin bereits mehr
tot als lebendig vorfindet. Nur wenn sich Linda dazu bereit erklären
würde, ihr Blut zu geben, könnte Nadine weiterleben. Doch Linda
besinnt sich eines Besseren und ermordet die lüsterne Vampirin.
Just in diesem Moment tauchen auch Omar und Dr. Steiner auf der
Bildfläche auf. Einer malerischen Fahrt auf dem Bosporus bei Sonnenuntergang
steht nichts mehr im Wege...

Der Film erzählt
in absolut abgefahrenen 70er Settings natürlich nichts anderes als
die bereits aus Bram Stokers Horrorklassiker bekannte Geschichte,
die auch mit Elementen der Erzählung "Carmilla" spielt. Gewürzt
wird die Gruselmär, die im Grunde keine ist, mit viel nackter Haut
und den für Franco auch in späteren Jahren bekannten, zuweilen niemals
zu enden scheinenden Tanzeinlagen. Dagegen ist im Grunde auch nichts
zu sagen, wohl aber dagegen, dass Francos Film vor allem im letzten
Drittel ein wenig zu einer reinen Kasperage ausartet, die spätestens
dann ihren Höhepunkt findet, wenn sich Franco selbst in der Rolle
des Gruselmännleins Memmet in sado-masochistischer Verpackung präsentiert.
Nach dieser Schlacht, die den eigentlichen Filmfluss sehr störend
unterbricht, ist der Film eigentlich vorbei, das Ende der Gräfin
nur noch Formsache, damit der übergeordnete Handlungsbogen seine
Vollendung findet. Das will jedoch nicht heißen, dass diese Szenen
schlecht sind, sie passen jedoch so rein gar nicht in das Bild des
Films. Francos Ausflüge als sadistisch peitschender Pfaffe in dem
1974 abgedrehten EXORCISME ET MESSES NOIRES sind eine wesentlich
bessere und stimmigere Spielwiese für derlei Extravaganzen. Im Fall
von VAMPYROS LESBOS hätte Franco in der von ihm oft bekleideten
Rolle des Dieners Morpho ganz sicherlich besser gefallen. Hinsichtlich
der Darsteller hätte er dagegen kaum eine bessere Truppe für einen
modernen Vampirfilm finden können: Neben seiner Muse Soledad Miranda,
über deren Tod Franco selbst nie richtig hinweg kam, spielen auch
der bekannte britische Mime Dennis Price und der nordische Exportschlager
Ewa Stroemberg gehörig auf. In den Nebenrollen wecken immerhin die
aus Oswald Kolles Aufklärungsvehikel ZUM BEISPIEL EHEBRUCH bekannte
Heidrun Kussin und Andrés Morales ungeteilte Bewunderung. Morales
mauserte sich in späteren Jahren zu einem von Franco oft eingesetzten
Darsteller, der u. a. in dem im selben Jahr wie VAMPYROS LESBOS
entstandenen EUGENIE, dem im Wallace-Fahrwasser schippernden TODESRÄCHER
VON SOHO (mit einem extrem brillanten Horst Tappert) und auch dem
sadistischen Klosterspektakel DIE NONNEN VON CLICHY durchaus eine
gute Figur machte. Was den Film trotz seiner kleinen Unzulänglichkeiten
funktionieren lässt und in dieser Form einzigartig macht, ist das
rundum gelungene Zusammenspiel der hervorragenden Musik des Duos
Hübler und Schwab in Verbindung mit der sehr ruhigen Kameraarbeit,
die diesmal ohne Unschärfen und hektische Zooms auskommt, sowie
den bereits erwähnten, beieindruckenden Sets. Da ist es kein Wunder,
dass dieser Film im Zuge der 70er- und Easy Listening-Welle neu
entdeckt wurde und zu einem Kult-Juwel avancierte. Das kann kein
Zufall sein. Selbst kleinste Details passen im Film wunderbar zueinander.
Allein die zur Schau getragene Sonnenbrillenmode würde heute kein
Optiker mit gutem Gewissen mehr verkaufen wollen. VAMPYROS LESBOS
wurde bei seiner Erstauswertung in mehreren Versionen mit unterschiedlichen
Schnitten gestartet. Während in Frankreich nur eine arg gekürzte
Fassung zur Aufführung kam, enthielt die deutsche Version alles,
was Franco für die Leinwand mit der Kamera kredenzen ließ. Auf VHS
und DVD gibt es mittlerweile ausschließlich sehr komplette Versionen
zu sehen, deren Laufzeitunterschiede bedingt durch das unterschiedliche
Quellenmaterial marginal ausfallen. Festzuhalten wäre noch, dass
die alte VHS von Toppic anders als die sehr schön gelungene DVD
von CMV Laservision mit einer komplett lokalisierten Titelsequenz
aufwartet und der Film überdies mit einem Auszug aus dem Heinrich
Heine-Gedicht "Helena" eingeleitet wird, was natürlich den Anspruch
nicht zwingend ins Unermessliche schraubt. VAMPYROS LESBOS ist ein
Film zum darin versinken, der sich am besten mit einem schweren
Rotwein von der Couch aus genießen lässt. Selbst Fans, die den Filmen
des spanischen Aushänge-Regisseurs eher skeptisch gegenüber stehen,
sollten zumindest dieser Perle eine reelle Chance einräumen.
Text
und Titelgrafik: molotto
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